Feuerwerk

Der Mond malt seine schimmernde Landebahn auf das Wasser des majestätisch dahin fließenden Stroms.
Sein leuchtender Weg führt genau zu mir hin, und ich wünschte, ich könnte eintauchen in ihn, die kreischende johlende Meute um mich herum ausblenden. Es gelingt mir fast auch so, denn in Gedanken bin ich immer noch mit meinem Kopf auf Deiner Brust und meine Hände streicheln zärtlich Deine Wangen.

Ich habe am Weinstand eine Flasche Badener Roséwein erstanden und ungefragt – warum auch immer – zwei Gläser dazu bekommen. Und dann habe ich mir meinen Weg hier herunter zum Fluss gebahnt, durch Beine, Füße, Hintern, deren Eigentümer sich alle schon an den Uferwiesen niedergelassen haben um das Ereignis ja nicht zu verpassen.

Im Hintergrund steigt die Stimmung, ein paar Teenies grölen Fetenhits, das Murmeln, das verhaltene und auch das ungehemmte Lachen der anderen Besucher weht in Fetzen an meinem Ohr vorbei, vorbei ist die Ruhe, die wunderbare Stille, die Dich und mich umfing, die ab und an durch ein paar kurze Worte unterbrochen wurde.

Wir brauchten nicht viele Worte.

Wir verstanden uns auch so.

Ich reiche meine Hand fremden Menschen, die in der Dunkelheit stolpernd einen Platz suchen, gebe Halt, nicke lächelnd zu dem mir überrascht übermittelten Dank. Vermutlich sehen sie es auch gar nicht, mein Lächeln, und das ist nicht weiter schlimm, denn es fällt eher kläglich aus, jetzt. In diesen Tagen, ohne Dich.

Nicht mehr lange, und das Feuerwerk wird beginnen.
Es ist der Höhepunkt des Stadtfestes, der immer wieder die ganze Stadt mobil macht, sie alle herlockt an das Rheinufer. Ein Erlebnis ist es, jedes Jahr aufs Neue, denn es ist nicht einfach nur ein Feuerwerk, abgespult von gelangweilten Pyrotechnikern, die um diese Zeit lieber im Kino wären, oder daheim, bei Freunden, in der Diskothek, im Urlaub… wo auch immer.
Nein. Das, was hier entsteht, ist immer wieder eine neue Komposition, ein Meisterwerk, geschaffen von Menschen mit Träumen, mit Visionen, von Menschen mit Liebe zu Details und Fantasien.

Farbexplosionen und Musik erschaffen Bilder, die die Sinne fordern und der Fantasie der Besucher eine Brücke bauen, hinein
ins eigene Kopfkino, hinein in das Abenteuer der eigenen Träume.

Bunte Farben werden in immer wieder neuen Choreographien und Kompositionen über dem Flusshimmel erscheinen und verblassen, so flüchtig wie die hierzu ausgewählte Musik, und dennoch wird der Eindruck der Schönheit und Erhabenheit bei den meisten Besuchern noch lange im Herzen bleiben.

Ich werde vor allem den Frieden, die Schönheit meiner Trauer im Angesicht der Entfernung zu Dir im Herzen bewahren, dieses mir freundlich gesonnene Gefühl der Verlassenheit, das dennoch nicht das Gefühl der Einsamkeit, des Verlassenseins in mir aufkommen lässt.
In einer nur mir logisch erscheinenden Art und Weise ist dieses Alleinsein, genau an diesem Abend, genau zu diesem Anlass haargenau richtig.
Und so hebe ich mein Glas und proste Dir in der Ferne zu, mit einem kleinen wehmütigen Lächeln auf den Lippen.

Es wäre schön gewesen, Dich nun neben mir zu wissen, schweigend, sicher wieder die Arme wieder vor Dir verschränkt, die Hände auf Deinen Schultern, den Kopf auf dem Kreuz Deiner Unterarme abgelegt.
Es wäre schön, jetzt Deine Ruhe zu genießen, mich anzulehnen und Deine Nähe zu fühlen, wie in unserer letzten gemeinsamen Nacht, und auch im Moment des Abschieds, an dem ich Deine Arme um mich fühlte, Deinen festen Körper an den meinen geschmiegt.

Ein seltener Moment, vielleicht gerade durch seine Seltenheit so schön.

So selten wie dieses Feuerwerk, das nun in seiner ganzen Pracht von meinen Augen und Ohren entsteht, mich mitnimmt, hin zu Dir, ganz kurz nur, bevor es wieder vergeht.

Würde ich Dir das erzählen, würdest Du mir ganz fürchterlich den Kopf zurechtsetzen, indem Du sagst, dass es noch schöner wird, je öfter wir diesen Moment für uns erleben können.

„Hab Vertrauen“, höre ich Dich sagen. Leise, eindringlich. „Wir werden uns diese Momente nehmen, stehlen, wenn es sein muss.“

„Wir werden sehen“, murmele ich, und weil ich weiß, dass Du dann wieder auffahren würdest, setze ich schnell dahinter: „Streich das wieder.“

„Was soll ich streichen?“ Du wirst das fragen, ganz sicher.

Und auch meine Antwort stünde schon fest: „Streich einfach unser Lachen in den Farben des Regenbogens an.“

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