Na endlich!

Eine Freundin von mir wird heiraten.
Naja, Freundin wäre zuviel gesagt.
Eine Frau, mit der ich kurze Zeit gemeinsam und intensiv arbeiten durfte.
Wir mögen uns sehr, verstehen uns oft ganz ohne Worte. Da reicht ein Blick und jede weiß von der anderen, was sie denkt.
Da unsere Wege aber seit gestern in unterschiedliche Richtungen gehen werden, kann ich nicht wirklich Freundin sagen. Ich denke an sie eher an eine Menschin, die mir sehr ans Herz gewachsen ist.
Also, noch mal:

Eine Menschin, die mir sehr ans Herz gewachsen ist, wird heiraten.
Und das ist noch nicht genug:
Es ist eine griechische Hochzeit.

Jeder, der Griechen kennt, weiß, wie familiär es dort zugeht, wie herzlich, und wie sehr darauf geachtet wird, dass alle an großen Ereignissen teilnehmen können.

Nun sind die Familien von Braut und Bräutigam ziemlich groß, so dass man es bei der engeren Verwandtschaft auf gute 120 Personen bringt.

Bei der engeren Verwandtschaft, wie gesagt.

Dazu kommen dann noch die weitläufigere Verwandtschaft, Arbeitskollegen, Vereinsfreunde und der engere Freundeskreis, so die Anzahl der Einladungen fast an die 300 Personengrenze stieß.

Es ist, wie gesagt, eine kleinere Hochzeit. Nichts großes, pompöses, noch nicht einmal eine griechisch-orthodoxe Trauung ist geplant. Nur das Standesamt, danach geht es direkt zum gemütlichen Teil über.

Also werden alle diese Menschen zum Standesamt gehen, um zu bezeugen, dass diese wunderbaren beiden Menschen tatsächlich ehrbare Menschen werden, dass sie ja zueinander sagen, den Bund der Ehe eingehen. Dass sie sich trauen, sich trauen zu lassen.

Nun stelle man sich das einmal vor:

Selbst in einer größeren Kirche würden die Räumlichkeiten bei einer solchen Anzahl von Hochzeitsgästen doch schnell an ihre Grenzen kommen. Aber es geht ja nur zum Standesamt. In dieses kleine Büro, oben im Turm unserer Burg, wo inzwischen fast alle Paare den Schritt in die Ehe ein wenig schöner gestalten wollen.

Nur: 300 Personen passen da ganz sicher nicht hinein. Als meine Menschin mir davon erzählte, schossen mir sofort Bilder durch den Kopf, die mich dazu brachten schallend zu lachen…

Ich sage mal, zwanzig, maximal fünfundzwanzig Menschen werden sie in dem Büro dort zulassen. Mit ein bisschen Goodwill eventuell auch dreißig. Der Rest wird sich auf dem Flur und der Wendeltreppe bis nach unten auf dem Burghof verteilen müssen.

Nun, die Frage, ob dort eine Videoleinwand aufgestellt und ein Kommentator leise das Geschehen den Gästen draußen näher bringen würde, verneinte sie vehement. Also drehte mein Kopfkino gleich einen anderen Film:

Die Standesbeamtin spricht die entscheidenden Worte.

„Wollen Sie, liebe Menschin, diesen hier anwesenden Menschen zum Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten und in schlechten Zeiten, bis dass der Tod Euch scheidet?“

Draußen auf dem Flur wird es unruhig.

„Was hat sie gesagt?“ tönt die Frage von der Treppe herauf.

Leise flüstert der Gast, der der offenen Tür am nächsten steht, in den Flur: „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will.“

Sofort dreht sich jemand um und zischt dies weiter in den Flur, hin zur Treppe. „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will!“

Von dort aus wird die Nachricht wie auf Händen über die Köpfe hinweg die Wendeltreppe hinunter getragen, sie flaniert kurz durch das Foyer, bevor sie dann im Burghof endlich ihr Zuhause findet. „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will!“

Und schon geht ein anerkennendes Raunen durch die Menge. Alle nicken bedeutsam mit dem Kopf – bis irgendeiner fragt: „Und? Was hat sie geantwortet?“

Aufgeschreckt starren sich alle an. Die Frau, die der Tür am Foyer am nächsten ist, gibt die Frage dorthin weiter: „Wie ist ihre Antwort?“

Hier huscht die Frage schnell zur Treppe hin, erklimmt die Stufen im Eilschritt: „Wie ist die Antwort?“, bis sie auf dem oberen Flur angelangt ist, keuchend, außer Atem, und von dort dann behutsam bis zum Trauzimmer getragen wird.

Der Gast an der Trauzimmertür verdreht die Augen. „Was soll sie schon geantwortet haben. Nein? Natürlich Ja!“

Und genauso geht die neue Antwort den Flur entlang. Ein bisschen überheblich schüttelt sie den Kopf über so eine alberne Frage, kokettiert dann mit dem leisen Auflachen mancher Gäste, die ähnliches gedacht haben, es aber nicht ausgesprochen haben, bevor sie sich an der Treppe in die Menge stürzt.

Und irgendwo auf dem Weg nach unten stolpert die Antwort und verliert den letzten Teil aus ihrem Tragekorb.

„Was soll sie schon geantwortet haben. Nein, natürlich!“ ist das, was verstümmelt, auf Krücken, im Vorraum ankommt, und dann auf einer Bahre gleich einem Trauerzug hinausgetragen wird.

„Nein?“ Der Aufschrei geht durch die Gäste im Burghof. Eilig werden Zigaretten ausgedrückt, die Menge rückt zusammen. „Sie hat nein gesagt? Warum das denn?“

Und schon macht sich geschäftig die nächste Frage auf den Weg: „Warum hat sie nein gesagt?“ Die Köpfe der Menschen auf der Treppe gleichen denen bei einem Tennismatch. Zur einen Seite blickend erwarten sie die Frage, nehmen sie auf, geben sie weiter und blicken dann gespannt zur anderen Seite hin, um abzuwarten, was von dort zurückkommen wird. Und nach einer Weile kommt ein leicht entnervtes, aber auch verwirrtes „Sie hat doch gar nicht nein gesagt.“ zurück.

Ein kluger Kopf schreitet nun ein. Er schnappt die Antwort am Schlafittchen und schickt sie zurück: „Und? Was hat sie gesagt?“

Anerkennend raunen die anderen Gäste. Das ist eine berechtigte Frage. Nicht nein heißt ja nicht sofort ja.

Inzwischen ist der Ablauf der Zeremonie allerdings schon weitergelaufen, schließlich wartet die Standesbeamtin nicht darauf, dass auch die unten stehenden Gäste auf dem neuesten Stand sind, bevor sie fortfährt.

Also kommen überraschende Nachrichten zurück zu dem wissbegierigen Gast. „Sie hat ja gesagt. Und er auch.“

„Na endlich“, murmelt er, und genau das setzt sich nach unten fort.

“Na endlich“, taumelt es verunsichert nach unten. Was bedeutet das nun wieder? Da ist Kreativität gefragt.

Unten im Burghof verkündet die Frau an der Treppe: „Sie hat nein gesagt, weil er nicht der richtige ist, und er hat „na endlich“ geantwortet.“

„Na endlich“. Also wollte er gar nicht, und nur sie? Und nun wollen beide nicht mehr? Warum dann diese Hochzeit, warum das ganze Aufsehen? Die Geschenke, die guten Kleider, all die Mühe der Vorbereitungen.

Sie sagt nein und er na endlich.

Das sind schon komische Sitten.

Manche der Gäste gehen verwirrt nach Hause. Ein paar wenige bleiben, weil die Sensation wirklich groß ist. Weil sie die kleinen schmutzigen Details wissen wollen.
Andere beschließen abzuwarten, was nun mit der Feier passiert. Schließlich muss man ja nicht alles wegwerfen. Eine… „Wir habens noch früh genug gemerkt“-Feier wäre doch auch nicht schlecht, oder?

Im Turmzimmer steht das frischgebackene Paar auf, glücklich und aufgeregt freut es sich auf die Feier, schreitet voran in die neue Zukunft und treibt damit die Gäste auf den Flur, und damit auch die anderen Gäste durch Wendeltreppe und Foyer auf den Burghof.

Und als sie selbst dort unten ankommen, wartet eine stumme, erwartungsvolle Menschenmenge auf sie.

Meine Menschin stutzt. Keiner kommt gratulieren? Was ist hier los?

Und ein junges Mädchen im Teenageralter spuckt ihr Kaugummi aus, bevor es sich vor dem Paar aufbaut und fragt:

„Warum habt ihr denn jetzt doch nicht geheiratet?“

„Warum sollen wir denn nicht geheiratet haben?“

„Na, Du hast doch nein gesagt!“ Empört deutet das Mädel auf meine Menschin. „Und er“ sie zeigt anklagend auf den frischgebackenen Ehegatten, „er sagte ‚na endlich’!“

Völlig verwirrt schütteln alle Zeugen aus dem Turmzimmer den Kopf.

„Aber sie haben doch ja gesagt. Und sie haben geheiratet.“

Aufatmend macht diese Auskunft nun ihren Gang durch den Menschenknäuel. Verwirrung macht sich breit, aber alle beschließen, erst einmal zur Stadthalle zu fahren, wo die Feier stattfinden soll.

Am Ende des Tages, wenn meine Menschin und ihr Mensch dann schon lange im Flugzeug sitzen und in ihre Flitterwochen entschwinden, wird vermutlich Oma Foutiadou noch vor sich hinmurmeln: „So schade. So ein schönes Paar. So eine schöne Feier. Und dann sagt sie nein…“

2 Gedanken zu „Na endlich!

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