Wanderungen

Der Hafen war in sanftes Mondlicht getaucht, es schimmerte über die Wasseroberfläche wie ein Weg, der uns die Richtung zeigen wollte. Wir saßen rauchend am Kai, kühlten uns die Füße im Wasser, das mit winzigen Wellen gegen die Ufermauern stieß. Kleine, kühle Meereszungen leckten immer wieder an unseren Beinen, und je nachdem, was für ein Schiff da ankam, wurden auch die Hosenbeine nass von dem, was vom Kiel verdrängt wurde.
Wir waren uns schon oft hier begegnet, in einem dieser kleinen, gemütlichen Inselhäfen. Dann nickten wir uns zu, löschten unsere Ladung und trafen uns später abends in einem dieser kleinen Bistros, die gemütlich zum Essen und Trinken einluden. So hielten wir das immer, gleich wann wir uns begegneten: Ob Sonne, ob Regen, der kalte Winter oder inmitten von Herbststürmen – wir nickten uns zu und trafen uns abends zum Dinner, tranken einen Aperitif und genossen dann das gemeinsame Mahl. Wir redeten über Gott und die Welt, die Preise für haltbare Lebensmittel, über die Wetterlage und tauschten das neueste Seemannsgarn aus, erzählten uns, wie es uns ergangen war, in der Zwischenzeit, in der wir uns nicht gesehen hatten. So manches Viertel Wein floss dabei, und am Ende schnappten wir uns noch eine Flasche vom Roten, liefen eingehakt zurück zum Kai, setzten uns auf die Kaimauer und schwiegen.
Das Plätschern der Wellen, die Rufe der Seemänner und -frauen, die von ihrem Landgang heimkehrten, das Kreischen vereinzelter Möwen, die noch nicht in ihr Nest zurückgefunden hatten, das leise Wehen des Windes formierte sich zu unserer Hintergrundmusik, eine bittersüße Melodie, die in mir immer wieder Fernweh auslöste, dafür sorgte, dass ich nicht lange blieb.
Der Rotwein ging hin und her, die Zigaretten glühten von Zeit zu Zeit auf und wir warteten beide gelassen, bis der eine oder der andere zu reden begann.
Heute brach ich das Schweigen.
„Zeit wird’s.“
„Nicht dein Ding hier?“
Die Sätze tropften in das Hafenwasser, langsam, bedächtig, jedes einzelne gut überlegt. Geplaudert hatten wir genug, nun ging es an das Wichtige.
„Doch, schon. Ist ein schöner Hafen. Schön klein. Und bunt.“
„Was stört?“
Das Gespräch stoppte, während ich überlegte, was mich hier störte. Es war eigentlich perfekt. Ein kleiner, bunter, Hafen, lebhaft und gemütlich zugleich, alles war sauber und geordnet. Jeder kannte jeden, man half sich untereinander, keiner wurde ausgegrenzt. Man traf sich abends in einer der vielen Hafenkneipen, schwatzte morgens gemeinsam auf dem Markt und hatte dennoch nie das Gefühl, dass die Leute einem zu nahe treten würden. Jeder führte sein eigenes Leben – und hatte dennoch nie das Gefühl, allein zu sein.
„Nichts…“
Er lächelte. Feixte einfach still in sich hinein, und ich wusste genau, dass er wusste, was ich dachte, fühlte. Ich würde nun so lange suchen, bis ich einen Grund gefunden hatte, einen Grund der sich für mich als so gravierend herausstellte, dass ich nicht bleiben konnte. Und dann… würde ich die Leinen lösen, die mich und mein Schiff in diesem Hafen banden.
„Die…. Straßen sind überfüllt.“ schlug er mit kaum unterdrücktem Schmunzeln vor.
„Ja. Wenn es brennt, kommt die Feuerwehr nicht durch. Hier fackelt eh bald alles ab, “ lachte ich.
Das Lachen klang in uns nach, während wir wieder ins Schweigen versanken. So viel lag uns immer auf dem Herzen, aber wir konnten beide nicht aus unserer Haut. Das Meer hatte uns wortkarg gemacht, wenn es ums Wichtige ging. Lieber nichts sagen, als ein Wort zu viel.
Irgendwie war das auch immer unser Thema, am Ende des Abends: Wenn ich den Anker lichtete, kehrte ich nie zurück. Und er… blieb dort. Immer wieder fuhr er aus, verbrachte manchmal Wochen auf hoher See, steuerte auch mal fremde Häfen an – aber er kam immer wieder heim, in seinen Hafen, legte am gleichen Platz an.
Der geneigte Leser mag sich nun überlegen, wie das gehen kann: Ich fuhr immer weiter und weiter, und er blieb – wie sollten wir uns da je wieder über den Weg laufen!
Das war eines der Wunder, über die ich als Wanderer nicht weiter nachdachte. Es war einfach so, und dieses magische Band, das als einzige hielt, sorgte dafür, dass er an jedem Hafen, den ich ansteuerte, sein Zuhause hatte. Nein, er hatte nicht in jedem Hafen sein Heim. Er war einfach. Und ich fand ihn aus tausenden von Matrosen und Kapitänen heraus, die dort am Kai herum wimmelten, ihr Tagewerk verrichteten oder ihren Geschäften nachgingen. Wir nickten uns zu – und fanden uns abends, immer um Punkt 19:38 Uhr im gleichen Bistro, am gleichen Tisch wieder. Ohne Absprache, einfach nur so.
Auch hier sehe ich Sie, lieber Leser, kopfschüttelnd vor meinen Zeilen sitzen: Lesend, schmunzelnd – nein, eher nachsichtig lächelnd ob der Verrücktheit dieser Uhrzeit. Der eine oder andere wird nun stirnrunzelnd aufschauen und mir einen Vortrag darüber halten wollen, dass solch eine genaue Zeit eine Erklärung haben muss, sonst würde sie keinen Sinn machen.
„Sie haben Recht, lieber Kritiker!“ rufe ich Ihnen zu. “Hier ist unbedingt eine nähere Erklärung nötig, die ich Ihnen auch gerne liefere.”
Dieser Termin kam durch einen längeren Prozess zu Beginn unserer Bekanntschaft zustande, dort, als noch Verabredungen notwendig waren, zu einer Zeit, in der wir uns noch nicht so kannten wie Bruder und Schwester, wie Liebende, wie Vater und Tochter, Mutter und Sohn. Nicht dass wir eines davon gewesen wären. Aber nun waren wir das, alles in einer Person und dennoch wieder nicht. Wir waren… seelengleich, und obschon wir es spürten, dauerte es eine Weile, bis wir das auch so anerkannten, wie es ist. Und zu dieser Zeit eben luden wir uns gegenseitig ein, ins Bistro. Die Zeit wurde auf 19:30 Uhr festgesetzt, aber irgendwie… schaffte es immer einer von uns nicht, pünktlich zu erscheinen. Der andere saß dann an diesem kleinen runden Tisch aus Bambus, rutschte auf dem dazu passenden Stuhl herum und spielte mit den Blumen, starrte die Karte an, rauchte eine Zigarette – und wartete. Bis 19:38 Uhr hatten es aber immer beide geschafft, spätestens dann saßen wir uns gegenüber, erstarrt in jener peinlichen Pause, die nach einer wortreichen Entschuldigung immer wieder erschien. Nachdem der andere abgewinkt hatte und der Beginn mehr als unglücklich auf den Rest des Abends wirken wollte. Ein Mal kamen wir dann beide zu spät, lachten uns vergnügt an, frotzelten das Essen lang darüber, dass wir am besten gleich beide zu spät kommen sollten. Von da an hielten wir es so, anfänglich als Scherz gedacht, bürgerte sich diese Zeit dann ein.
Wenn er an Land musste, blutete ihm das Herz, das wusste ich. Und dennoch musste er heim. Er brauchte die kleinen Blumen, die neben seiner Kate wuchsen, brauchte das Lamentieren der Nachbarn über die Verwahrlosung seines Grundstücks. Er brauchte das Grün des Rasens, den festen Boden unter den Füßen, und zwar den eigenen, nicht immer den anderer. Hier, in seinem Hafen wusste er, wo Fallstricke auslagen, manche bewusst und in krimineller Absicht, andere unbeabsichtigt oder aus Schlamperei – aber er marschierte über „seine“ Insel, strauchelte oft – aber er fiel nie.
An einem Abend, den wir gemeinsam verbrachten, sprach er darüber. Ungewöhnlich wortreich schüttete er mir sein Herz aus, fast verzweifelt darüber, dass er zwischen den Welten wandelte, an Land voller Sehnsucht nach dem Meer und zu Wasser immer in Küstennähe bleibend.
„Warum?“ Er sah mich ratlos an, die tiefen Furchen um seinen Mund zeugten davon, dass er sich diese Frage nicht zum ersten Mal stellte. „Warum nur muss ich immer wieder aufs Meer? Ich habe ein wunderbares Heim, einen Garten, liebe diese Insel wie mein eigenes Blut. Kann ich nicht, wie jeder andere Mensch, mit dem zufrieden sein, was ich habe? Warum nur muss ich immer wieder das Weite suchen, wenn ich nun doch wieder zurück will…“
Damals war ich es, die schmunzelte.
„Du hast einfach eine Sehnsucht nach mehr. Nimm es an, alles andere macht dich nur unglücklich. Du suchst das Ungewöhnliche, etwas, was immer wieder deinen Geist anregt und herausfordert. Auf deiner kleinen Insel, auf der du jeden Strauch kennst, wirst du das nur noch im begrenzten Maß finden. Zumal hier auch selten etwas Neues zugelassen wird…“
Er schaute nicht glücklicher als vorher, als er begann mir zu widersprechen: „ Das klingt ja alles gut und schön, aber dennoch verstehe ich es nicht. Wäre es die Sucht nach dem Außergewöhnlichen, ich würde ja nicht zurückkehren müssen. Ich könnte, wie du, immer weiter segeln, auf zu neuen Ufern und nicht immer wieder zurück zu den alten!“
Ich sah ihm an, dass er selbst merkte, dass er sich einen Teil verschwieg. Den Teil der Inselregel, dass jeder, der länger als 6 Wochen fortblieb, Haus und Heim verlor. Den Teil also, der gegen seinen Willen ein fesselndes Band um ihn geschlungen hatte, das nur durch einen energischen Riss nachgeben würde – und dann nicht mehr heilbar wäre. Und damit den Teil, den er gerne bei sich halten, hüten würde wie einen Schatz, aber eben freiwillig, und nicht gezwungenermaßen.
Ich dachte lange nach, bevor ich ihm antwortete.
„Ich denke, das ist einfach der Preis, den du zahlen musst für dein Leben. Du hast es so gewählt: Ein Heim auf einer Insel, vertraute Gesichter, Geborgenheit in Sturmzeiten, das Nest, das dich warm hält an kalten Tagen.“
„Aber ich liebe das alles und will es gar nicht verlieren!“ Es brach aus ihm heraus, mit einer Vehemenz, die nicht nur mich von seinen Gefühlen überzeugen sollte. Ein kleines Stückchen weit galt dieses Statement auch sich selbst, und selbst dessen war er sich bewusst. Ich lachte verhalten in seine verklingenden Töne hinein.
„Natürlich tust du das. Das ist auch nicht der Preis den du zahlen musst. Aber in deinem selbst gewählten Leben, deiner Heimat fehlt etwas, ganz entschieden sogar. In dir ist ein Hunger, eine Sehnsucht nach dem Meer, der Weite, die hinter dem Horizont liegt, hinter deiner Zone. Sieh mal: Es ist so, dass deine Inselregierung dir sagt: „Es ist okay, wenn du hinausfährst um Neues zu erkunden. Fahr nur, gehe so weit du willst, erkunde so viel du magst – innerhalb der Zeitzone, die wir dir gesetzt haben.“ Und du segelst hinaus, erfährst, erlebst, entdeckst… vor allem die Lust nach mehr.“
Wir schwiegen. Keiner wollte aussprechen, was uns beiden bewusst war. Noch ging das alles. Noch hatte er die Grenze nicht erreicht, noch war es möglich, etwas Neues zu entdecken. Doch irgendwann… irgendwann war der Radius, in dem er sich bewegen durfte, erforscht, jeder Stein betrachtet, umgedreht und darunter geschaut. Die Liebe zu seinem Heim hielt ihn in festen Banden. Aber würde sie es auch dann noch schaffen?
Heute aber, heute schmunzelte er.
„Irgendwann, Kleine…“ fing er an und ich musste innerlich lachen, ahnte ich doch, welche Litanei er nun heraus kramte. Es war immer das gleiche Lied: „Irgendwann findest auch du den perfekten Hafen, den Ort, der dein Herz für immer ans Land bindet.“
„Perfekt ist nur, was kleine Mängel aufweist, Großer. Makellosigkeit schüchtert ein und dann – bleibt man fern, zu bewusst sind uns unsere eigenen kleinen Fehler.“
„Und wenn du dann endlich einen Makel gefunden hast, ist er genau der einzige Grund, warum du nicht bleiben kannst, ja ja… „
„Ja ja heißt…“
Er ließ mich gar nicht ausreden, schnitt mir ganz einfach das Wort ab. „Ich weiß, was das heißt. Lenk nicht ab. Was du brauchst, ist Perfektion. Auge, Ohr, Gefühl – all das muss im genauen Einklang für dich sein.“
„Nein. Solcher Perfektion würde ich mich niemals trauen zu nähern. Und spräche sie mich an, ich würde fortlaufen, vor lauter Angst, ihr nicht zu genügen.“
Er schüttelte den Kopf, lächelnd, verständnisvoll, denn eigentlich wusste er genau darum. Dass das eben mein Preis war, den ich zahlen musste, für das Leben, das ich mir eingerichtet hatte. Weiter, immer weiter zog es mich, und es gab keinen Ort, an dem ich Luft holen, ausruhen konnte – außer dem auf dem Meer, in Einsamkeit, immer eine Mindestdistanz zur Küste, die das rettende Ufer versprach und für mich doch nie hielt. Häfen steuerte ich nur an, um Nahrung aufzunehmen und das Neueste zu erfahren. Und um mich mit ihm zu treffen, wenn wir uns denn über den Weg liefen. Und wenn dann das kleine Eckchen in mir, das sich nach Sesshaftigkeit sehnte, begann die Vorhänge auszupacken und Blumen zu pflücken, wusste ich, dass es Zeit war. Zeit, den Anker zu lichten, bevor Wasserpflanzen ihn am Boden fesseln konnten. Zeit, die Leinen zu lösen, bevor sie mit den Pollern an der Pier verwuchsen. Zeit, die Segel zu setzen, bevor sie brüchig wurden und zu nichts mehr nutze. Und so blieb ich wurzellos dem Meer verpflichtet, illusionslos dem Traum der Einsamkeit verbunden, gefesselt an meine eigene Distanz.
„Wer von uns leidet mehr?“
Die Frage kam unvermittelt und riss mich aus meinen Gedanken.
War es denn wirklich ein Leid, das uns da widerfuhr? Er hatte seine Freiheiten, seine Begrenzung selbst gewählt – und auch ich war mir dessen sehr bewusst, dass ich auch ein anderes Leben führen könnte, wenn ich nur wollte. Aber wollte ich denn?
Wollte er es?
Meine Antwort war nicht unbedingt eine Antwort, eher ein Kommentar, ob für mich oder ihn, war mir selbst nicht ganz klar.
„Bedenke, was du dir wünscht – es könnte in Erfüllung gehen…“
Überrascht lachte er auf, verstummte abrupt und versank, wie ich, wieder in tiefem Schweigen.
So eine Stille um uns machte uns nicht viel. Wir saßen oft beisammen, ohne Worte, fühlten uns wohl miteinander. Das Wissen um den anderen war hinreichend, um den Abend zu genießen. Die Nacht hüllte die Dunkelheit wie einen samtigen Mantel um uns, die Gemeinsamkeit wärmte die Seelen und der Blick hinaus, auf das tiefschwarze Meer, unser beider Liebe, die wir so unterschiedlich lebten, verband mehr als jede Umarmung es hätte tun mögen.
Die Geräusche um uns wurden geringer, die Stimmen vereinzelter. Dann und wann erreichte unsere Ohren noch ein derbes Grölen, ein hysterisches Kichern, und – ja, auch das servierte die Nacht – ein leises, aber schamloses Stöhnen, direkt hinter uns, verborgen durch ein paar Kisten, in denen schwarzer Tee gelagert stand.
Der Geruch des aromatischen Tees, des salzigen Meeres, der strenge Gestank der Fischkutter, der Dunst des Weins und der Rauch unserer Zigaretten verband sich und gab dieser Nacht eine einzigartige Duftnote.
Einzigartig… eine eigenartige Ahnung der Makellosigkeit überfiel mich und löste eine Ruhelosigkeit in mir aus, die mir wohlbekannt war.
„Ja.“
Ich war nicht überrascht, dass er es spürte. Wir fühlten einander wie eineiige Zwillinge, jeder wusste vom anderen, was er dachte, fühlte.
Und so standen wir auf, wortlos, schlenderten zum Strand, suchten die Abgeschiedenheit, um unseren persönlichen Abschied zu zelebrieren. Der Sand fühlte sich rau an zwischen den Zehen, die sich tief in ihn gruben, während wir zum Wasser liefen. Unsere Hände fanden sich, verschlungen sich genauso wie unser Schicksal seit dem ersten Tag, an dem wir uns fanden, ohne Ausschau nach uns zu halten.
Irgendwann würden wir uns eine kleine Nische in den Felsen suchen, windgeschützt, abgeschirmt von den Blicken anderer, und am frühen Morgen würde ich aufstehen, leise, meine Kleider zusammensuchen, während ich mir einredete, dass er noch schliefe. Und er würde sich nicht rühren, nur ein kleiner Aussetzer in seinem Atem würde mir zeigen, dass er es wahrnahm, mein Entschwinden, meine Flucht vor der Perfektion des Augenblicks.
Ich würde zurück schlendern, das kalte Morgenwasser an meinen Beinen würde die Schwere vertreiben und die leichte Bittersüße abwaschen, die den Moment des Ablegens würzte.
Das Geschrei der Möwen würde mich zu sich rufen, ein Wecker der Sehnsucht ganz anderer Art – fort von ihm, dem sicheren Hafen, hin zu dem, was mein Daheim ausmachte: Die Unendlichkeit des Meeres, der freie Himmel, das mit mir sein – allein, aber zufrieden.
Nicht glücklich, nein.
Glück war etwas, was ich mir sparsam einteilte. Eine Nacht, beginnend im Bistro, endend im Alleingang zurück von den Klippen, das war ein kleines Glück, das ich mir von Zeit zu Zeit gönnte. Ein Eis an einem heißen Sommertag, wenn es schon an den Lippen begann zu schmelzen, ein Lied, das alle Sinne zum Klingen brachte, die Gänsehaut, wenn der Seewind beim Auslaufen über meine Arme strich… Je kleiner und seltener das Glück, desto mehr konnte ich es schätzen, auskosten.
Wer sich immer ein bisschen Hunger bewahrt, wird das Mahl zu schätzen wissen, das das Leben ihm vorsetzt.
„Wer leidet mehr?“
Die Frage klang noch nach in mir.
Natürlich heulte auch ich manchmal den Mond an, wenn ich auf hoher See war, niemand da war, dessen Zigarettenrauch meine Sinne öffnete, kein Arm in der Nähe, der mich hielt.
Aber auch solch ein Leben hätte seinen Preis.
Einen Preis, den ich nicht zahlen konnte.
Und so nahm ich meine Wanderung wieder auf, in den frühen Morgenstunden, wenn das obere Rund der Sonne das Meer verließ. Lief aus dem Hafen aus, der mir für eine kurze Zeit vor Augen führte, wie hoch die Zeche für mich war.
Der Sonne entgegen segelnd, den Sturm, der folgen mochte, im Bewusstsein, stand ich am Steuerrad meines Schiffes, die Augen fest auf den Horizont gerichtet.
Und im Rücken die Blicke dessen, der noch schlief.

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