Geburtstage und andere Quälereien

Ich hasse backen.

Ja wirklich: Während den meisten Frauen zu Recht eine gewisse Affinität hausfraulichen Tätigkeiten gegenüber unterstellt wird, begrenzt sich meine Lust zu backen auf gelegentliche weihnachtliche Backorgien mit meinen Kindern und auf die obligatorische Torte zum Geburtstag. Und diese Torte besteht aus einer Fertigpackung Tortenboden, Quark, Sahne, Zitrone und eine Packung Schaumküsse. Daraus lässt sich in kürzester Zeit eine schmackhafte Torte zusammenpanschen, die selbst Backignoranten wie mir gut gelingen.

Jetzt aber stecke ich wirklich in der Bredouille: Meine Jüngste hat sich in den Kopf gesetzt Ärztin zu werden. Entsprechend will sie eine Ärztinnentorte.

Eine Ärztinnentorte. Ich hasse Kinder.

Der Entwurf war schnell gemacht: Mintgrün solle sie sein, denn sie will nicht nur eine „normale“ Ärztin werden, nein. Sie will Chirurgin werden und mit diesen feingeschliffenen kleinen Messern an wehrlosen Menschen herumschnippeln. Obenauf soll ein Äskulapstab prangen. Wie bitte macht man mintgrüne Sahne?

„Du brauchst keine Sahne“, belehrt sie mich großzügig mit ihren fast acht Jahren, als ich, bei meinem hinterlistigen Versuch die Produktion dieser Peinlichkeit zu hintertreiben, darauf hinweise, dass ich mit Lebensmittelfarben nur grüne und keine mintgrüne Sahne herstellen kann. „Mach doch einfach einen Rührkuchen, den hab ich schon in der Kochgruppe in der Schule gemacht. Ist ganz einfach. Und dann kaufst du diese Marzipanmatten, die gibt es in allen Farben, Mama. In allen, wirklich allen Farben! Ich hab mich schon erkundigt.“

Na klasse. Rührkuchen. Das heißt, ich muss doch backen. Erwähnte ich schon, dass ich Kinder hasse?

Mein Göttergatte bricht vor Rührung fast in Tränen aus. Sein Goldstück will Ärztin werden! Diese Lamoryanzattacken häufen sich seit der Einschulungsfeier dieses kleinen Miststücks. „Sie ist schon so erwachsen“, schluchzt er abends ins Kissen. „Welches Kind weiß in diesem Alter schon so genau, was es werden will?“

„Wenn sie das schon so genau weiß, soll sie doch ausziehen und ihre blöde Torte selbst backen“, grummele ich leise vor mich hin. Leider war ich nicht so leise, dass ihm das entgangen wäre. Okay. Das bedeutet: Kein Sex heute Nacht. Und morgen vermutlich auch nicht. Und übermorgen. Wahrscheinlicher ist, dass ich bis zum Wochenende auf dem Sofa schlafen darf.

Ich sehe, wie er tief Luft holt und komme ihm zuvor, indem ich mir mein Kissen und meine Decke schnappe und ergeben ins Wohnzimmer auswandere.

Ja, bei uns ist das alles ein wenig anders. Seit der Geburt von Charlotte, sollte ich vermutlich noch anmerken.

Ich war ja schon immer diejenige, die arbeiten ging und sich nebenher noch um die wichtigen Dinge in unserer Familie kümmerte. Horst, mein Göttergatte, ist seines Zeichens freischaffender Künstler. Sprich: Immer dann, wenn es etwas zu tun gibt, überkommt ihn eine Inspiration und er muss arbeiten. Und ich arbeite im Schichtdienst in diesem bescheuerten Callcenter und kümmere mich in den anderen Zeiten um Kinder, Haushalt und was sonst noch so anfällt.

Natürlich fällt da immer eine Menge an; besonders, wenn man ein Haus mit fünf Kindern und einem Ehemann am Hals hat. Unter anderem zählt dazu die Ausrichtung von Kindergeburtstagen.

Jungs sind da ja einfacher. Man fährt in den Wald und macht irgendwelche Spielchen, bei denen sie sich austoben können. Bei schlechtem Wetter gibt es da noch Indoorspielplätze, Laserdomes, Kletterhallen, Schwimmen und so weiter. Torte? Wollen die gar nicht. Da reichen Chips, Cola und zum Abendessen Pizza oder Pommes.

Mit vier älteren Jungs und mir als Mutter hatte ich ja die Hoffnung, dass Charlotte eine kleine Wilde würde, die in die höchsten Baumwipfel klettert und als Herrscherin der Wälder die Elfen in den Krieg führt.

Aber weit gefehlt: Sie will Kleidchen tragen, mit Barbies spielen, besteht auf ihrer Hello-Kitty-Bettwäsche und verlangt Pyjamapartys oder Kostümfeste mit dem Thema entsprechenden Spielen, und mein Mann, der sich bei den Jungs nie für solche Dinge interessierte, stärkt ihr darin jedes Mal den Rücken.

Jetzt frage ich mich, was man auf einer Chirurginnenfeier für Kinderspiele spielen kann? Etwa:

Frösche sezieren: Die erste, die die Froschschenkel küchenfertig ausgelöst hat, bekommt ein Skalpell als Siegerpreis?

Oder

Anatomiepuzzle: Wir zerbrechen zwei Skelette und teilen die Kinder in Teams auf, die die Dinger wieder zusammensetzen müssen. Die Siegergruppe darf das Skelett dann dem anderen Team nachts ins Bett legen?

Mir würde ja

Rezepte für einen coolen Abend: Ich verschreibe jedem ein Schlafmittel und wecke sie nach der Frühstückszeit wieder auf.

vorschweben, aber das lehnte mein lieber Mann ebenfalls ab.

Gut, also werde ich seine Deckenfluter aus dem Atelier für diesen Abend enteignen und unser Esszimmer zum OP umfunktionieren.

Aber wen sollten wir operieren?

Daniels Ratte kommt mir in den Sinn. Ich finde sie ekelig, aber ein fünfzehnjähriger, zwischen Grunge und Emo schwankender Pubertierender würde das vermutlich als Willkür ansehen und etwas von Kindesmisshandlung schreien.

Komisch. Wenn es um klare Anweisungen und Grenzen geht, sind diese Kröten zu erwachsen um so etwas noch anerkennen zu wollen. Geht es hart auf hart, sind sie wieder Kinder.

Mein Ältester weiß die rettende Lösung. Auch er wollte einmal Arzt werden und hatte seinerzeit von einem Künstlerfreund meines Noch-Ehemannes (warten wir den Kindergeburtstag mal ab, dann sehen wir wegen der Ehe weiter!) eine Puppe mit herausnehmbaren Innereien geschenkt bekommen. Horst steuert noch einen Kinderarztkoffer bei und will bei seinem Schönheitschirurgen nachfragen, ob dieser ihm ein paar OP-Hauben und -Masken überlassen kann. Diese blauen Schürzen, die wir bei dem Oktoberfest auf Hannes Schule beim Kellnern trugen, machen das standesgemäße Chirurgenoutfit komplett.

Fehlt nur noch die Torte.

Aber: Auch da habe ich eine Lösung.

Mit einem Ehegatten, der sich einen Schönheitschirurg leisten kann, kann ich auch bei Feinkost Kelm ordern. Morgen rufe ich da an.

Eine Chirurgenfete.

Eigentlich sind sie ja süß, diese Gören.

torte

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