Regenmächte

Die Nacht, die Nacht.
Sie schreitet so zügig voran, so geschäftig:
“Keine Zeit, keine Zeit!
Der Morgen naht, also denkt daran:
Wie schnell ist nichts getan!“

Und ich?
Ich sitze in meinem kleinen Garten Eden und sehe zu, wie die Regensekunden in die Erde tropfen.
Versickern, tropfen, versickern.
Es ist kalt und dunkel, und ich weiß, ich sollte eigentlich ins Haus gehen.
Doch das geht nicht, denn im Haus herrschen grelle Leere und dröhnende Stille.
Sie halten mich vom Schlaf ab, und ich fürchte mich davor, dort wieder hineinzugehen.

Die Nacht, die Nacht.
Sie schreitet so zügig voran.
Aber mich lässt sie außen vor. Ich bin gefangen in einer Zeitblase, die strömenden Regen in einzelne Tropfen versiegen lässt.

Dein Name schleicht mir über meine Haut, die feinen Härchen stellen sich auf, und von den Knospen an zieht sich alles zusammen in mir, hin zu einem Punkt.
Hitze wallt auf.
Es fängt wieder an zu brennen in mir, in meinem Bauch.
Nicht schmerzhaft, nein.
Hm… doch, ein bisschen.
Aber so, dass es gut tut.

Leise murmele ich ihn vor mich hin, Deinen Namen.
Es klingt wie eine Botschaft an mich, von Dir –  oder wie eine Botschaft an Dich, von mir.
Die Buchstaben tropfen von meinen Lippen, fallen in meinen Schoß, so dass sich die Hitze auch hier breit macht.
Ein paar Buchstaben.
Ein Name.
So weit entfernt, und doch berührt er mich, berührst Du mich.

Ich ertappe meine Gesichtsmuskeln, die sich eigentlich für den Schlaf entspannen sollten:
Sie ziehen fest an den Mundwinkeln, so dass sie sich nach oben wenden.
Gleichzeitig glätten sich die Falten auf meiner Stirn, und ich merke, wie gut das tut.
Lächeln.
Lächeln mit Deinem Namen auf meinen Lippen.
Mit Deinen Buchstaben in meinem Schoß.
Mit Deiner Wärme in meinem Bauch, die sich immer weiter ausbreitet, bis selbst meine ständig kalten Füße keine Erfrierungssignale mehr senden.

Tropf, tropf, tropf.
Weiter sickern die Sekunden in die nasse Erde.
Ich könnte es fühlen.
Ja.
Würde ich mit einem Finger über kleinen Hügel streifen – sie wären feucht von der Nässe, und der Gedanke lässt mich schlucken.

Ich mochte schon immer den Regen.
Er ist so viel sanfter als eine Dusche, aber unbestechlicher, unerbittlicher.
Da gibt es keinen Hahn, mit dem man das Wasser abstellen, die Temperatur regulieren kann.
Wenn Dich der Regen einmal hat, dann durchnässt er Deine Kleider, bis sie wie eine zweite Haut an Dir kleben.
Gleich ob eisig oder lauwarm:
Kleine Rinnsale suchen sich den Weg über Höhen und durch Tiefen, und manchmal spüre ich sie so intensiv, dass ich mir die Sachen vom Leib reißen möchte.
Mich dem Regen ergeben.
Seiner sanften Macht.

Du bist auch so eine sanfte Macht, die beharrlich ihre Spuren auf mir hinterlässt.
So beständig, unaufhörlich, so stet.
Bis dass ich nicht mehr anders kann als mich ergeben.
Und ergeben ergebe ich mich.
Ich verliere mich an Dich, um Dich zu gewinnen – für mich.

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