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Geburtstage und andere Quälereien

Ich hasse backen.

Ja wirklich: Während den meisten Frauen zu Recht eine gewisse Affinität hausfraulichen Tätigkeiten gegenüber unterstellt wird, begrenzt sich meine Lust zu backen auf gelegentliche weihnachtliche Backorgien mit meinen Kindern und auf die obligatorische Torte zum Geburtstag. Und diese Torte besteht aus einer Fertigpackung Tortenboden, Quark, Sahne, Zitrone und eine Packung Schaumküsse. Daraus lässt sich in kürzester Zeit eine schmackhafte Torte zusammenpanschen, die selbst Backignoranten wie mir gut gelingen.

Jetzt aber stecke ich wirklich in der Bredouille: Meine Jüngste hat sich in den Kopf gesetzt Ärztin zu werden. Entsprechend will sie eine Ärztinnentorte.

Eine Ärztinnentorte. Ich hasse Kinder.

Der Entwurf war schnell gemacht: Mintgrün solle sie sein, denn sie will nicht nur eine „normale“ Ärztin werden, nein. Sie will Chirurgin werden und mit diesen feingeschliffenen kleinen Messern an wehrlosen Menschen herumschnippeln. Obenauf soll ein Äskulapstab prangen. Wie bitte macht man mintgrüne Sahne?

„Du brauchst keine Sahne“, belehrt sie mich großzügig mit ihren fast acht Jahren, als ich, bei meinem hinterlistigen Versuch die Produktion dieser Peinlichkeit zu hintertreiben, darauf hinweise, dass ich mit Lebensmittelfarben nur grüne und keine mintgrüne Sahne herstellen kann. „Mach doch einfach einen Rührkuchen, den hab ich schon in der Kochgruppe in der Schule gemacht. Ist ganz einfach. Und dann kaufst du diese Marzipanmatten, die gibt es in allen Farben, Mama. In allen, wirklich allen Farben! Ich hab mich schon erkundigt.“

Na klasse. Rührkuchen. Das heißt, ich muss doch backen. Erwähnte ich schon, dass ich Kinder hasse?

Mein Göttergatte bricht vor Rührung fast in Tränen aus. Sein Goldstück will Ärztin werden! Diese Lamoryanzattacken häufen sich seit der Einschulungsfeier dieses kleinen Miststücks. „Sie ist schon so erwachsen“, schluchzt er abends ins Kissen. „Welches Kind weiß in diesem Alter schon so genau, was es werden will?“

„Wenn sie das schon so genau weiß, soll sie doch ausziehen und ihre blöde Torte selbst backen“, grummele ich leise vor mich hin. Leider war ich nicht so leise, dass ihm das entgangen wäre. Okay. Das bedeutet: Kein Sex heute Nacht. Und morgen vermutlich auch nicht. Und übermorgen. Wahrscheinlicher ist, dass ich bis zum Wochenende auf dem Sofa schlafen darf.

Ich sehe, wie er tief Luft holt und komme ihm zuvor, indem ich mir mein Kissen und meine Decke schnappe und ergeben ins Wohnzimmer auswandere.

Ja, bei uns ist das alles ein wenig anders. Seit der Geburt von Charlotte, sollte ich vermutlich noch anmerken.

Ich war ja schon immer diejenige, die arbeiten ging und sich nebenher noch um die wichtigen Dinge in unserer Familie kümmerte. Horst, mein Göttergatte, ist seines Zeichens freischaffender Künstler. Sprich: Immer dann, wenn es etwas zu tun gibt, überkommt ihn eine Inspiration und er muss arbeiten. Und ich arbeite im Schichtdienst in diesem bescheuerten Callcenter und kümmere mich in den anderen Zeiten um Kinder, Haushalt und was sonst noch so anfällt.

Natürlich fällt da immer eine Menge an; besonders, wenn man ein Haus mit fünf Kindern und einem Ehemann am Hals hat. Unter anderem zählt dazu die Ausrichtung von Kindergeburtstagen.

Jungs sind da ja einfacher. Man fährt in den Wald und macht irgendwelche Spielchen, bei denen sie sich austoben können. Bei schlechtem Wetter gibt es da noch Indoorspielplätze, Laserdomes, Kletterhallen, Schwimmen und so weiter. Torte? Wollen die gar nicht. Da reichen Chips, Cola und zum Abendessen Pizza oder Pommes.

Mit vier älteren Jungs und mir als Mutter hatte ich ja die Hoffnung, dass Charlotte eine kleine Wilde würde, die in die höchsten Baumwipfel klettert und als Herrscherin der Wälder die Elfen in den Krieg führt.

Aber weit gefehlt: Sie will Kleidchen tragen, mit Barbies spielen, besteht auf ihrer Hello-Kitty-Bettwäsche und verlangt Pyjamapartys oder Kostümfeste mit dem Thema entsprechenden Spielen, und mein Mann, der sich bei den Jungs nie für solche Dinge interessierte, stärkt ihr darin jedes Mal den Rücken.

Jetzt frage ich mich, was man auf einer Chirurginnenfeier für Kinderspiele spielen kann? Etwa:

Frösche sezieren: Die erste, die die Froschschenkel küchenfertig ausgelöst hat, bekommt ein Skalpell als Siegerpreis?

Oder

Anatomiepuzzle: Wir zerbrechen zwei Skelette und teilen die Kinder in Teams auf, die die Dinger wieder zusammensetzen müssen. Die Siegergruppe darf das Skelett dann dem anderen Team nachts ins Bett legen?

Mir würde ja

Rezepte für einen coolen Abend: Ich verschreibe jedem ein Schlafmittel und wecke sie nach der Frühstückszeit wieder auf.

vorschweben, aber das lehnte mein lieber Mann ebenfalls ab.

Gut, also werde ich seine Deckenfluter aus dem Atelier für diesen Abend enteignen und unser Esszimmer zum OP umfunktionieren.

Aber wen sollten wir operieren?

Daniels Ratte kommt mir in den Sinn. Ich finde sie ekelig, aber ein fünfzehnjähriger, zwischen Grunge und Emo schwankender Pubertierender würde das vermutlich als Willkür ansehen und etwas von Kindesmisshandlung schreien.

Komisch. Wenn es um klare Anweisungen und Grenzen geht, sind diese Kröten zu erwachsen um so etwas noch anerkennen zu wollen. Geht es hart auf hart, sind sie wieder Kinder.

Mein Ältester weiß die rettende Lösung. Auch er wollte einmal Arzt werden und hatte seinerzeit von einem Künstlerfreund meines Noch-Ehemannes (warten wir den Kindergeburtstag mal ab, dann sehen wir wegen der Ehe weiter!) eine Puppe mit herausnehmbaren Innereien geschenkt bekommen. Horst steuert noch einen Kinderarztkoffer bei und will bei seinem Schönheitschirurgen nachfragen, ob dieser ihm ein paar OP-Hauben und -Masken überlassen kann. Diese blauen Schürzen, die wir bei dem Oktoberfest auf Hannes Schule beim Kellnern trugen, machen das standesgemäße Chirurgenoutfit komplett.

Fehlt nur noch die Torte.

Aber: Auch da habe ich eine Lösung.

Mit einem Ehegatten, der sich einen Schönheitschirurg leisten kann, kann ich auch bei Feinkost Kelm ordern. Morgen rufe ich da an.

Eine Chirurgenfete.

Eigentlich sind sie ja süß, diese Gören.

torte

Klassentreffen

Es ist wieder einmal soweit: Klassentreffen.

Helga hat sich unglaublich viel Mühe gemacht: Zehn Jahre nach dem letzten Treffen sind viele Klassenkameraden umgezogen, haben sich scheiden lassen, neu geheiratet. Namen, Anschriften, all das hat sich geändert, und da natürlich niemand daran dachte, unsere selbsternannte Präsidentin des Festkomitees darüber zu informieren, sind etliche Einladungen wieder zurückgekommen.

Aber Helga wäre nicht Helga, wenn sie sich davon aufhalten ließe. Ein bisschen im Internet recherchieren, die Beziehungen zum Einwohnermeldeamt spielen lassen, andere Ehemalige nerven und ausfragen – und endlich hat sie alle erreicht. Der Termin ist so gelegt, dass eigentlich jeder zusagen kann: Genug Zeit zu planen und einen Abend freizuhalten hat sie klugerweise eingeräumt. Das Treffen findet in einer Pension statt, die moderate Preise bietet, weil Paul, der Inhaber der Pension, der Bruder von Erwin ist und Erwin unser Klassensprecher war. So können auch die, die weit weggezogen sind, ohne desaströse Ausgaben an dem Treffen teilnehmen. Die klassischen Ausreden waren damit bereits im Vorfeld ausgeräumt, so würden lediglich die nicht auftauchen, die immer fehlten.

Unzählige Mails mit Erinnerungen („Nicht vergessen: Am 23. Oktober ist es soweit! Du kommst doch ganz gewiss?“), Anweisungen („Bringt bitte alle das Jahrbuch mit und das T-Shirt mit den ganzen Unterschriften! Wir haben ein Spiel vorbereitet!“), Regeln („Die Partner bleiben bitte daheim, ebenso Kind, Hund, Katze, Maus, haha!“) und sonstigen für Helga so wichtigen Details sind vermutlich bei jedem von uns hereingeschneit; mindestens genauso viele Anrufe erreichten uns, und nein, Leute: Nicht rangehen ist bei einem Anruf von Helga keine Option. Dann folgen weitere Anrufe im Fünf-Minuten-Takt, so wie eine weitere Mailflut, in der um dringenden Rückruf gebeten wird.

Aber gut, alle zehn Jahre kann man mal so eine Zeit mitmachen. Letztendlich lassen wir das alles nun zum dritten Mal über uns ergehen, und es hat sich die beiden vorhergehenden Male gelohnt. Viele nette Gesichter, das Erstaunen auf allen Seiten, was aus uns geworden ist, gute Gespräche und viel Gelächter – auch über Helgas militärische Vorbereitungsweise – machen das locker wieder wett.

Natürlich gibt es auch Leute, die würde man am liebsten gar nicht mehr sehen.

Ludwig zum Beispiel hätte ich beim ersten Klassentreffen am liebsten nicht dabeigehabt. Die Erinnerung daran, dass er auf der Abschlussfeier mit mir Schluss gemacht hat um mit Karina aus der 10c zu knutschen, saß einfach noch wie ein bohrender Nagel in meinem Selbstbewusstsein. Als ich aber dann sah, was aus ihm geworden war, dankte ich allen Göttern und insbesondere Karina dafür, dass sie ihn auf Abwege geführt hatten:

Ich hatte ihn größer in Erinnerung. Größer, mit mehr Haaren auf dem Kopf. Wo waren seine wunderschönen Wuschellocken hin? Da war nur noch ein schütterer Rest, der mehr nach einem verzweifelten Versuch, Haare vorzutäuschen, aussah. Und dann diese Brille! Glasbausteine! Hatte der Mann noch nichts von Kontaktlinsen gehört? Ich muss heute noch grinsen, wenn ich daran denke, wie Andrea und ich zusammenstanden, kichernd zu ihm rüber starrten und all seine schrecklichen Veränderungen aufzählten, die uns auf den ersten Blick auffielen.

Als ich am Ende des Abends Andrea und Ludwig knutschenderweise im Auto sitzen sah, musste ich noch mehr lachen.

Im Jahr darauf traf es mich allerdings noch schlimmer. Ansgar war scheinbar für eine Weile zurück in Deutschland und beehrte uns deswegen mit seiner Anwesenheit. Ansgar war seinerzeit immer der Klassenbeste gewesen und wurde uns Verlierern als leuchtendes Beispiel vorgehalten, was er ganz offen und unheimlich genoss. Nach unserem Abschluss absolvierte er noch das Gymnasium und schloss dort mit Summa Cum Laude ab. Natürlich studierte er. Irgendwas mit Bio oder Chemie, oder mit beidem. Auf dem ersten Klassentreffen fehlte er, und Helga erzählte lang und breit mit dieser bedeutungsschwangeren Stimme, die andeuten sollte, dass nun etwas hochdramatisch Wichtiges ans Licht kommen würde, dass er nun ein Forschungsprojekt in den USA leiten und gerade in einer wichtigen Phase des Projekts stecken würde, was ihn leider daran hindere zum Treffen zu kommen.

Dafür war er dann bei dem zweiten Treffen dabei und sonnte sich in der Bewunderung aller, die ihm Respekt zollten für all das, was er von seinem Lebensstil in den USA erzählte. Seine Lieblingssätze waren: „Das kennt ihr hier natürlich nicht.“, und: „Habt ihr das hier nicht? Ach, ja….“

Dabei setzte er eine derart gönnerhafte Miene auf, dass ich ihm am liebsten sein Flugticket ins Maul gestopft und mit einem Tritt auf den Heimflug befördert hätte. Ohne Flugzeug. Natürlich ließ er es sich nicht nehmen, auch allen, wirklich allen Leuten ein Gespräch aufzuzwingen, gleich ob man wollte oder nicht, und so stand er tatsächlich irgendwann auch bei uns.

Ich verdrehte die Augen und hörte gar nicht richtig zu, was er da zu erzählen hatte, aber das schien ihn gar nicht zu stören. Er erzählte und erzählte, bis ich mich höflich entschuldigte und in Richtung WC verschwand, um endlich meine Ruhe zu haben.

Nun, vermutlich wird er in diesem Jahr wieder zu beschäftigt sein, also freue ich mich tatsächlich wieder ein bisschen auf das Treffen.

„Hey, schön dass du da bist!“ Helga stürmt auf mich zu, kaum dass ich den Festraum betreten habe und fängt sofort an auf mich einzuschwatzen, als seien wir Busenfreundinnen. Oh Gott. Ich konnte Helga nie ausstehen, weil sie immer alles machen wollte, sich für jeden Mist am schnellsten und am lautesten gemeldet hatte. Ihre Noten waren grottenschlecht, aber die Lehrer mochten sie natürlich, weil sie immer so hilfsbereit war und hievten sie durch jedes Schuljahr. Jeden Sommer betete die halbe Klasse stumm darum, dass sie es ein einziges Mal nicht schaffen würde. „Bitte! Einmal nur! Eine Ehrenrunde schadet doch niemandem!“, bettelten wir bei der Zeugnisvergabe unsere vorhandenen oder eingebildeten Götter an; stumm, um einen neutralen Gesichtsausdruck bemüht. Und jedes Jahr entgleisten uns die Gesichtszüge, wenn sie dann stolz verkündete: „Versetzt in Klasse Xb!“

Wie dem auch sei, ich mied Helga während unserer Schulzeit wie Strickstrumpfhosen im Frühjahr. Auf der weiterführenden Schule galten Strickstrumpfhosen als gesellschaftlicher Tod. Helgas Gesellschaft war eher so, als wäre man an einem Pfahl im Meer angebunden, bei Ebbe bis zur Brust im Wasser, nicht wissend, ob Haie oder die Flut letztendlich für Deinen Tod sorgen würden. Bei strahlender Sonne betetest Du irgendwann um einen Hai, der dann aber sicherlich nicht auftauchen würde.

Und genau diese Helga hakt sich nun bei mir unter und erzählt mir strahlend, wie toll alles geworden sei und dass fast alle zugesagt hätten. Ich nicke abwesend und suche nach einem Grund, mich höflich bedauernd von ihr loseisen zu können, als der Name „Ansgar“ fällt.

„… stell dir vor, und gestern Abend rief er an und erzählte, dass er es doch noch schafft, und so ist er quasi unser Überraschungsgast des heutigen Abends!“ Helga fängt an zu kichern. Ein schulmädchenhaftes Gackern, das mich an jene Zeiten erinnert, in denen ich mit meinen Freundinnen auf Feten zusammengestanden und zu den Jungs rüber gestarrt habe. Aber okay, da waren wir 14 Jahre alt, nicht ein halbes Jahrhundert! Allerdings rückt diese Peinlichkeit in den Hintergrund, als ich ihre nächsten Worte wahrnehme:

„Ich dachte mir, dass ich euch nebeneinander setze. Ihr habt euch das letzte Mal so gut unterhalten, sagte Ansgar.“ Sie zwinkert mir auffällig zu und raunt dann auf derart vertrauliche Weise in mein Ohr, dass ich nicht weiß, was ich schlimmer finden soll: Ihren anzüglichen Ton oder der Inhalt dessen, was sie sagt. „Da geht noch was zwischen euch… Du bist doch immer noch Single, oder?“

Dem Himmel sei Dank wartet sie gar nicht auf meine Antwort sondern löst sich von mir und flattert zu dem nächsten bedauernswerten Gast, der gerade den Weg zu uns gefunden hat.

Ich lasse mich auf den nächsten freien Stuhl sinken und stöhne auf. Kurz überlege ich, ob ich nicht heimlich verschwinden soll, aber da steuert unsere Gastgeberin wieder auf mich zu, den Stargast im Schlepptau. Ansgar sieht mich erfreut an, und ich bemühe mich, zumindest höflich zu sein. Nachdem wir uns die Hände gereicht haben, will er gleich ein Gespräch mit mir anfangen. Ich aber drehe mich um und stürme auf Ludwig und Andrea zu, als seien sie die rettende Oase in der Wüste.

Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich noch, wie Helga der Mund offen stehen bleibt. Sie sucht offensichtlich nach passenden Worten, um die Situation noch zu retten, aber das ist mir egal. Soll sie doch mit ihm fertig werden.

Andrea und Ludwig schauen verkrampft lächelnd durch den Raum. Der Abstand zwischen ihnen und ihre Körperhaltung verrät mir, dass Helga auch hier die Zeichen missdeutet und die beiden Falschen zu einem Paar zusammengefügt hat: Die beiden sind kein Paar geworden, sondern haben nur die Nacht miteinander verbracht.Nun müssen sie schon zum zweiten Mal dafür büßen, dass sie die Finger nicht voneinander lassen konnten.

Beim zweiten Treffen hat Andrea mich an ihre Seite gezogen und mir das ganze Drama erzählt. Am Morgen danach sei sie durch eine keifende Stimme neben ihm aufgewacht und hätte den Schock ihres Lebens bekommen. Offenbar hatte Ludwig ihr verschwiegen, dass er noch bei seiner Mutter wohnte und diese die Angewohnheit hat, ihrem Söhnchen den Kaffee ans Bett zu bringen. Als Mutti nun ihren Ludwig mit einer Frau im Bett erwischte, brach wohl ihr Weltbild zusammen, und das Drama, das folgte, war laut meiner ehemaligen Banknachbarin filmreif: Andrea im Bett, zwischen ihr und ihren Kleidern die in Tränen aufgelöste Mutter; neben ihr ein ertappter Ludwig, der mit den beiden Damen völlig überfordert war. Kein Wunder, dass die beiden die Klassentreffen am liebsten in zwei verschiedenen Städten gefeiert hätten.

Heute revanchiere ich mich und klage Andrea mein Leid: Lautstark lasse ich mich über Helgas unglückliche Hand bei der Wahl der Tischnachbarn aus. Darüber, dass ich neben dem nervigen Streber sitzen muss, der doch eh nur wieder erzählt, was er drüben in den USA für tolle Sachen macht, die uns Hinterwäldlern noch überhaupt nicht bekannt seien. „Mir geht dieses herablassende Getue auf den Nerv. Der tut so, als seien wir bedauernswerte Höhlenmenschen, die Kultur für eine Zahnpasta halten!“

Kurz überlegen wir, ob wir für das Essen nicht die Plätze tauschen können. Aber Helga wäre nicht Helga, wenn sie uns diese Eigenmächtigkeit durchgehen lassen würde. „Oh nein, das geht auf gar keinen Fall!“, tönt sie entsetzt und schaut uns an wie ein getroffener Hund. Nicht umsonst habe ich doch alle so hingesetzt, darauf basiert doch später das ganze Spiel!“

Ich schließe kurz die Augen und überlege, ob ich sie oder mich umbringen soll. „Ich will nicht mit Mister USA-Angeber Ansgar spielen“, tönt es rebellisch durch meinen Kopf. Den schockierten Minen in meinem Umfeld entnehme ich, dass dieser Satz wohl nicht in meinem Kopf geblieben, sondern über meine Lippen hinaus durch den ganzen Raum geschallt ist.

Oh, Mann.

Sowas passiert immer nur mir. Millionen Menschen gehen zu Klassentreffen, haben einen langweiligen bis angenehmen Abend. Die Hälfte davon knutscht im Anschluss mit einem ehemaligen Klassenkameraden und geht fremd. Aber nur ein Mensch unter diesen Millionen von Menschen reißt die Klappe auf und düpiert den Ehrengast mit respektlosen, unfreundlichen Gedanken, die besser nie gesagt werden sollten.

Nun, jetzt sind sie aber raus, und alle stehen da und starren mich an. Wie die Salzsäuren, oder als hätte jemand die Zeit eingefroren.

Was nun?

Leugnen, dass ich das gesagt habe, kann ich nicht. Laut genug war es, das zeigen mir die Gesichter um mich herum.

„Das war nicht so gemeint“ sagen und lahm dabei lächeln? Peinlicher geht’s nicht mehr.

Außerdem habe ich es ja so gemeint, denke ich trotzig. Ich kann solche Menschen nicht ausstehen, die irgendwo hereinplatzen und von anderen Orten, Vereinen und was sonst auch immer schwärmen, die Anwesenden gönnerhaft darüber aufklären, wie zurückgeblieben sie sind und dass es doch woanders wesentlich klügere, bessere, kompetentere Menschen gäbe als dort, wo dieser Mensch es sich gerade eben bequem macht.

„Rot werden, eine Entschuldigung stammeln und flüchtend den Saal verlassen“, flüstert mir mein kleiner Feigling im Ohr zu, und fast wäre ich der Versuchung erlegen. Dann aber besinne ich mich. Wo soll ich denn hin? In mein Zimmer, bis morgen früh, damit ich niemandem mehr über den Weg laufe? Das ist fast so wie Stubenarrest. Und wenn ich zu alt zum Kichern bin, dann bin ich auch ganz sicher aus dem Alter für Stubenarrest hinaus.

Also denke ich mir: „Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen“, recke das Kinn und lächele entwaffnend.

Die bewegen sich immer noch nicht. Und keiner sagt etwas. Ob ich mich noch bewegen kann? Ja klar, sonst hätte ich nicht das Kinn recken können. Eigentlich sieht dieser Mensch ja ganz nett aus, wenn er nur nicht so ein überheblicher Angeber wäre. Schweigen die jetzt schon Minuten lang oder kommt mir das nur so lang vor?

Ein Gedanke nach dem anderen jagt durch meinen Kopf, huscht durch die Ecken, wirbelt Staub auf und verschwindet wieder durch das Dachfenster. Soll ich es erklären, warum ich das gesagt habe?

Noch bevor ich diesen Gedanken weit von mir weisen kann, reißt ihn ein einsames schallendes Gelächter von mir fort. Ich starre entgeistert zu Andrea.

Aber nicht Andrea lacht, sondern Ansgar. Herzlich, ehrlich. Der ganze Mann lacht: Er hält sich den Bauch, die Schultern zucken, und mit weit zurückgeworfenem Kopf brüllt er sein lautes, angeberisches Amilachen heraus. Ich starre ihn an, als sei er verrückt geworden. Die anderen auch. Aber dann fallen sie zögernd mit in sein Lachen ein, überrascht und gleichzeitig erleichtert, weil mein Affront nicht den Abend zerstört hat.

Helga jedoch schaut fassungslos von einem zum anderen, den Tränen nahe, und begreift gar nichts.

Mir geht es nicht viel anders., auch wenn ich keinen Grund zum Weinen sehe. Gut, ich habe das nicht sagen wollen, aber er benimmt sich doch wirklich so. So völlig überheblich und unsensibel. Taktlos, ja taktlos, das ist das Wort, das mir fehlte, und während ich es in meinem Kopf ausprobiere, macht mein Bauch einen kleinen Hüpfer und sorgt gnadenlos dafür, dass ich schamrot werde. Denn letztendlich habe ich ihm gerade eben gezeigt, dass Taktlosigkeit nichts ist, was nur die Amis kennen. Das haben wir hier auch.

Ansgar hat sich soeben ein bisschen beruhigt und grinst mich über meinen ratlosen Blick hinweg an.

„Über sich selbst lachen können“, sagt er in einem höllisch breiten texanischen Akzent, den er mal so eben aus dem Hut zaubert. „Kennt Ihr das hier in Deutschland nicht? Ach, ja…“

Poesie und mehr

Im Schatten des Scheiterhaufens
bereitest Du ein feuriges Lager
Dir und Deiner glühend heiß begehrten Dame
bei dem die Decken nur verhüllen
und nicht wärmen.
Klammheimlich stahl sie sich aus ihrer Kemenate
den Schlüssel ihres Keuschheitsgürtels fest in ihrer Hand.
Die Hitze steigt allein durch Eure Nähe
und lässt im Schein des Feuers
unschuldig noch
die Wangen leicht erröten.

♪♪ Erna Schabulski bei ALDI an der Kasse
Erna Schabulski die Frau die find ich klasse ♪♪

Entnervt springe ich auf. Ich hatte doch ausdrücklich daum gebeten, nicht gestört zu werden, schließlich weiß er doch, wie schwer es ist, wahrhaft große Poesie zu schaffen. Energisch hämmere ich gegen die Tür und brülle hinaus: “Mach die Scheißmusik endlich leise, sonst komm ich dir da rein und dann ist Panhas am Schwenkmast!!!” Die Musik geht augenblicklich aus.
Na bitte.

Erhitzt seid Ihr, wie auch der Met
der sanft durch eure Kehlen rinnt.
Ihr müht vergeblich Euch
um Contenance,
die zarte Stirn der holden Maid
an Deine Schulter
sanft gelehnt.
Da!
Hoch aufgerichtet,
auf seines treuen Schlachtross‘ Rücken
stürmt er herbei, des Weibes Herr,
lässt Burggraben und Zugbrücke weit hinter sich!

♪♪Erna Schabulski bescheißt beim Wechselgeld
Erna Schabulski ist nich von dieser Welt ♪♪

Wutentbrannt stürme ich in das Zimmer. Er sitzt da, mit seinen Freunden, großkotzig noch, aber das wird ihm gleich vergehen, dafür sorge ich: “Du gottverdammter Scheißkerl, hängst hier mit deinen Kumpels ab! Geh lieber in dein Ein-Euro-Job malochen, sons meld ich dich bein Amt! Die warten da nur auf so faule Säcke wie dich! Und getz alle Mann raus hier, sons hol ich den Baseballschläger raus!” Super, wie die rennen können. Nachdem das Gerümpel endlich raus ist, kann ich ja wohl nun endlich in Ruhe mich meinem Werk widmen.

Schon ist er da,
und mit entsetzten Blicken
sind eure Leiber bald schon
schmerzhalft schnell getrennt.
Warum nur ist er hier?
Er sollte doch zurzeit verweilen
Getreuer Vasall, der er doch ist,
an des Königs Tafel,
und dessen Barden
neue Lobesliedern beklatschen?
Das derangierte Dekolleté
der scheinbar braven Maid
bezeugt ein gänzlich anderes Verhalten
als das, was ihr dem Ritter nun
zum Besten geben wollt.

“Maaaaamaaaaaaaaaa!!!!!!!!!!!!!! Die Schantalle hat mich getreten, die blöde Schlampe, dieeeeeeee!!!!!!!!!!!!!!”

Im Nu bin ich draußen, knall Schantalle eine fürs Treten und zerre meine Juliette an den Haaren nach oben. Zwei Watschen kriegt sie um die Ohren, eine fürs Petzen und eine für den unmöglichen Ausdruck.
“Und nu setzte dich da hin und hältst deine freche Klappe, und rühr dich nich vonnen Fleck, sons hat dein Arsch gleich Kirmes!”
Ha! Da sitzt sie nun, ganz kleinlaut. Von wegen draußen das Maul weit aufreißen, sowas geht überhaupt nicht, und schon gar nicht, wenn ich gerade schreibe.

Der Edelmann, in voller Rüstung,
zückt ohne Zagen nun sein Schwert
will ihr damit zu Leibe rücken.
Du stellst dich voller Todesmut
in diesen endgültigen Weg,
empfängst den Hieb,
der ihr war zugedacht.
Nun liegst du dort in ihren Armen
und unter ihren tränenbleichen Wangen
hauchst du dein letztes Leben aus,
voll Glück:
Sie hat dich doch geliebt.

So. Nun noch schnell “performed by Hertha Schmitz” drunter setzen und ab ins Forum damit. Damit stopfe ich allen Kritikern das Maul. Die Säcke. Von wegen, ich kanns nicht. Ha!
Und nun ein bisschen Musik zum Entspannen, und Juliette kann auch mal wieder raus, die Nachbarn haben ja mitbekommen, dass ich mich kümmer, und ihr sitzt der Denkzettel noch feste. So lehne ich mich zurück und schalte das Radio ein.

♪♪Erna Schabulski, die hat mir noch gefehlt♪♪

Na endlich!

Eine Freundin von mir wird heiraten.
Naja, Freundin wäre zuviel gesagt.
Eine Frau, mit der ich kurze Zeit gemeinsam und intensiv arbeiten durfte.
Wir mögen uns sehr, verstehen uns oft ganz ohne Worte. Da reicht ein Blick und jede weiß von der anderen, was sie denkt.
Da unsere Wege aber seit gestern in unterschiedliche Richtungen gehen werden, kann ich nicht wirklich Freundin sagen. Ich denke an sie eher an eine Menschin, die mir sehr ans Herz gewachsen ist.
Also, noch mal:

Eine Menschin, die mir sehr ans Herz gewachsen ist, wird heiraten.
Und das ist noch nicht genug:
Es ist eine griechische Hochzeit.

Jeder, der Griechen kennt, weiß, wie familiär es dort zugeht, wie herzlich, und wie sehr darauf geachtet wird, dass alle an großen Ereignissen teilnehmen können.

Nun sind die Familien von Braut und Bräutigam ziemlich groß, so dass man es bei der engeren Verwandtschaft auf gute 120 Personen bringt.

Bei der engeren Verwandtschaft, wie gesagt.

Dazu kommen dann noch die weitläufigere Verwandtschaft, Arbeitskollegen, Vereinsfreunde und der engere Freundeskreis, so die Anzahl der Einladungen fast an die 300 Personengrenze stieß.

Es ist, wie gesagt, eine kleinere Hochzeit. Nichts großes, pompöses, noch nicht einmal eine griechisch-orthodoxe Trauung ist geplant. Nur das Standesamt, danach geht es direkt zum gemütlichen Teil über.

Also werden alle diese Menschen zum Standesamt gehen, um zu bezeugen, dass diese wunderbaren beiden Menschen tatsächlich ehrbare Menschen werden, dass sie ja zueinander sagen, den Bund der Ehe eingehen. Dass sie sich trauen, sich trauen zu lassen.

Nun stelle man sich das einmal vor:

Selbst in einer größeren Kirche würden die Räumlichkeiten bei einer solchen Anzahl von Hochzeitsgästen doch schnell an ihre Grenzen kommen. Aber es geht ja nur zum Standesamt. In dieses kleine Büro, oben im Turm unserer Burg, wo inzwischen fast alle Paare den Schritt in die Ehe ein wenig schöner gestalten wollen.

Nur: 300 Personen passen da ganz sicher nicht hinein. Als meine Menschin mir davon erzählte, schossen mir sofort Bilder durch den Kopf, die mich dazu brachten schallend zu lachen…

Ich sage mal, zwanzig, maximal fünfundzwanzig Menschen werden sie in dem Büro dort zulassen. Mit ein bisschen Goodwill eventuell auch dreißig. Der Rest wird sich auf dem Flur und der Wendeltreppe bis nach unten auf dem Burghof verteilen müssen.

Nun, die Frage, ob dort eine Videoleinwand aufgestellt und ein Kommentator leise das Geschehen den Gästen draußen näher bringen würde, verneinte sie vehement. Also drehte mein Kopfkino gleich einen anderen Film:

Die Standesbeamtin spricht die entscheidenden Worte.

„Wollen Sie, liebe Menschin, diesen hier anwesenden Menschen zum Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten und in schlechten Zeiten, bis dass der Tod Euch scheidet?“

Draußen auf dem Flur wird es unruhig.

„Was hat sie gesagt?“ tönt die Frage von der Treppe herauf.

Leise flüstert der Gast, der der offenen Tür am nächsten steht, in den Flur: „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will.“

Sofort dreht sich jemand um und zischt dies weiter in den Flur, hin zur Treppe. „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will!“

Von dort aus wird die Nachricht wie auf Händen über die Köpfe hinweg die Wendeltreppe hinunter getragen, sie flaniert kurz durch das Foyer, bevor sie dann im Burghof endlich ihr Zuhause findet. „Sie hat gefragt, ob sie ihn heiraten will!“

Und schon geht ein anerkennendes Raunen durch die Menge. Alle nicken bedeutsam mit dem Kopf – bis irgendeiner fragt: „Und? Was hat sie geantwortet?“

Aufgeschreckt starren sich alle an. Die Frau, die der Tür am Foyer am nächsten ist, gibt die Frage dorthin weiter: „Wie ist ihre Antwort?“

Hier huscht die Frage schnell zur Treppe hin, erklimmt die Stufen im Eilschritt: „Wie ist die Antwort?“, bis sie auf dem oberen Flur angelangt ist, keuchend, außer Atem, und von dort dann behutsam bis zum Trauzimmer getragen wird.

Der Gast an der Trauzimmertür verdreht die Augen. „Was soll sie schon geantwortet haben. Nein? Natürlich Ja!“

Und genauso geht die neue Antwort den Flur entlang. Ein bisschen überheblich schüttelt sie den Kopf über so eine alberne Frage, kokettiert dann mit dem leisen Auflachen mancher Gäste, die ähnliches gedacht haben, es aber nicht ausgesprochen haben, bevor sie sich an der Treppe in die Menge stürzt.

Und irgendwo auf dem Weg nach unten stolpert die Antwort und verliert den letzten Teil aus ihrem Tragekorb.

„Was soll sie schon geantwortet haben. Nein, natürlich!“ ist das, was verstümmelt, auf Krücken, im Vorraum ankommt, und dann auf einer Bahre gleich einem Trauerzug hinausgetragen wird.

„Nein?“ Der Aufschrei geht durch die Gäste im Burghof. Eilig werden Zigaretten ausgedrückt, die Menge rückt zusammen. „Sie hat nein gesagt? Warum das denn?“

Und schon macht sich geschäftig die nächste Frage auf den Weg: „Warum hat sie nein gesagt?“ Die Köpfe der Menschen auf der Treppe gleichen denen bei einem Tennismatch. Zur einen Seite blickend erwarten sie die Frage, nehmen sie auf, geben sie weiter und blicken dann gespannt zur anderen Seite hin, um abzuwarten, was von dort zurückkommen wird. Und nach einer Weile kommt ein leicht entnervtes, aber auch verwirrtes „Sie hat doch gar nicht nein gesagt.“ zurück.

Ein kluger Kopf schreitet nun ein. Er schnappt die Antwort am Schlafittchen und schickt sie zurück: „Und? Was hat sie gesagt?“

Anerkennend raunen die anderen Gäste. Das ist eine berechtigte Frage. Nicht nein heißt ja nicht sofort ja.

Inzwischen ist der Ablauf der Zeremonie allerdings schon weitergelaufen, schließlich wartet die Standesbeamtin nicht darauf, dass auch die unten stehenden Gäste auf dem neuesten Stand sind, bevor sie fortfährt.

Also kommen überraschende Nachrichten zurück zu dem wissbegierigen Gast. „Sie hat ja gesagt. Und er auch.“

„Na endlich“, murmelt er, und genau das setzt sich nach unten fort.

“Na endlich“, taumelt es verunsichert nach unten. Was bedeutet das nun wieder? Da ist Kreativität gefragt.

Unten im Burghof verkündet die Frau an der Treppe: „Sie hat nein gesagt, weil er nicht der richtige ist, und er hat „na endlich“ geantwortet.“

„Na endlich“. Also wollte er gar nicht, und nur sie? Und nun wollen beide nicht mehr? Warum dann diese Hochzeit, warum das ganze Aufsehen? Die Geschenke, die guten Kleider, all die Mühe der Vorbereitungen.

Sie sagt nein und er na endlich.

Das sind schon komische Sitten.

Manche der Gäste gehen verwirrt nach Hause. Ein paar wenige bleiben, weil die Sensation wirklich groß ist. Weil sie die kleinen schmutzigen Details wissen wollen.
Andere beschließen abzuwarten, was nun mit der Feier passiert. Schließlich muss man ja nicht alles wegwerfen. Eine… „Wir habens noch früh genug gemerkt“-Feier wäre doch auch nicht schlecht, oder?

Im Turmzimmer steht das frischgebackene Paar auf, glücklich und aufgeregt freut es sich auf die Feier, schreitet voran in die neue Zukunft und treibt damit die Gäste auf den Flur, und damit auch die anderen Gäste durch Wendeltreppe und Foyer auf den Burghof.

Und als sie selbst dort unten ankommen, wartet eine stumme, erwartungsvolle Menschenmenge auf sie.

Meine Menschin stutzt. Keiner kommt gratulieren? Was ist hier los?

Und ein junges Mädchen im Teenageralter spuckt ihr Kaugummi aus, bevor es sich vor dem Paar aufbaut und fragt:

„Warum habt ihr denn jetzt doch nicht geheiratet?“

„Warum sollen wir denn nicht geheiratet haben?“

„Na, Du hast doch nein gesagt!“ Empört deutet das Mädel auf meine Menschin. „Und er“ sie zeigt anklagend auf den frischgebackenen Ehegatten, „er sagte ‚na endlich’!“

Völlig verwirrt schütteln alle Zeugen aus dem Turmzimmer den Kopf.

„Aber sie haben doch ja gesagt. Und sie haben geheiratet.“

Aufatmend macht diese Auskunft nun ihren Gang durch den Menschenknäuel. Verwirrung macht sich breit, aber alle beschließen, erst einmal zur Stadthalle zu fahren, wo die Feier stattfinden soll.

Am Ende des Tages, wenn meine Menschin und ihr Mensch dann schon lange im Flugzeug sitzen und in ihre Flitterwochen entschwinden, wird vermutlich Oma Foutiadou noch vor sich hinmurmeln: „So schade. So ein schönes Paar. So eine schöne Feier. Und dann sagt sie nein…“